So fahren wie ein Porsche fährt
Herr Weckbach, Elektroautos sind bislang alles andere als ein Verkaufsschlager. Kommt der Taycan zu früh?
Die Zeit ist reif. Elektromobilität hat bei Porsche bereits Tradition: Ferdinand Porsche stellte schon auf der Pariser Weltausstellung 1900 den Lohner-Porsche vor, ein Elektrofahrzeug mit einer Reichweite von 50 Kilometern. Seit 2010 gibt es Porsche-Modelle als Hybridvarianten, angefangen mit dem Cayenne, gefolgt vom Panamera. Plug-in-Hybridvarianten von Porsche sind seit 2013 auf dem Markt. Somit sind wir im Premiumsegment der erste Hersteller, der Plug-in-Modelle angeboten hat. Inzwischen ist eine zweite Generation von Plug-in-Hybriden unterwegs, die bis zu 50 Kilometer rein elektrisch fahren kann. Beim 918 Spyder haben wir gezeigt, was möglich ist, wenn man den V8-Saugmotor eines Supersportwagens um zwei elektrische Synchronmotoren an der Vorder- und der Hinterachse ergänzt. Und nun machen wir mit dem Taycan den nächsten logischen Schritt und bringen ein reines Elektrofahrzeug an den Start, das unsere Ansprüche ohne Kompromisse erfüllen wird.
Wie genau sieht die Elektrifizierungsstrategie von Porsche aus?
Die Elektrifizierung ist ein wesentlicher Teil unserer Produktstrategie, die aus drei Säulen besteht. Die erste Säule sind die puristischen Sportwagen mit Verbrennungsmotor, die zweite bilden die Hybridfahrzeuge. Und die dritte Säule weist mit voll elektrischen Fahrzeugen in die Zukunft. Mit diesem Dreiklang decken wir das gesamte Marktspektrum ab und können alle Kundenwünsche erfüllen.
Ist es denn möglich, dem Taycan die klassischen Porsche-Tugenden mitzugeben?
Es war von Anfang an klar, dass ein elektrisch angetriebener Porsche genau wie jedes andere Porsche-Modell in seinem Segment das sportlichste Fahrzeug sein muss. Auch als Elektroauto muss ein Porsche die markentypischen Anforderungen erfüllen, zum Beispiel an die Längs- und Querdynamik. Er wird auch auf den ersten Blick als Porsche zu erkennen sein, denn wir haben die Design-DNA von Porsche auf unsere kommenden Elektrofahrzeuge übertragen. Sie können sich sicher sein: Der Taycan wird in jeder Hinsicht dem Anspruch von Porsche gerecht – auch was die Auswahl der Materialien und einzelner Komponenten bis hin zur Qualität des Gesamtfahrzeugs betrifft.
Werden mit dem Taycan auch neue Tugenden hinzukommen?
Der Taycan fährt sich wie ein Porsche, sieht aus wie einer und fühlt sich auch so an – nur dass er eben einen anderen Antrieb hat. Auch ein Elektrosportwagen kann puristisch und hoch emotional sein. Für uns ist das kein Widerspruch, im Gegenteil: Mit der optimalen Antriebstechnik und dem richtigen Fahrzeugkonzept lassen sich die Porsche-Charakteristika noch weiter ausreizen. Nehmen Sie zum Beispiel die Unterbodenbatterie: Sie gibt dem Taycan einen extrem niedrigen Schwerpunkt, er ist sogar niedriger als beim 911. In Kombination mit einer optimalen Gewichtsverteilung zwischen den Achsen ist der Taycan also schon vom Grundkonzept her sehr sportlich angelegt.
Bisher verlieren Elektrosportler nach wiederholter starker Beschleunigung an Antriebsdynamik …
Aber nicht der Taycan, bei dem wir mit zwei Maßnahmen für eine gleichbleibende Performance in allen Fahrsituationen sorgen. Zum einen haben wir uns bei der Wahl der Traktionsmotoren für permanenterregte Synchronmaschinen entschieden, die eine hohe Dauerleistung ermöglichen und dadurch reproduzierbare Leistung sicherstellen. Das heißt, dass Sie nicht nur ein Mal, sondern mehrmals hintereinander stark beschleunigen können. Dasselbe gilt für das Fahren mit konstant hoher Geschwindigkeit. Zum anderen haben wir ein intelligentes Kühlsystem entwickelt, das möglichen Leistungsverlusten wegen zu starker Hitzeentwicklung vorbeugt, indem es Kühlleistung immer genau an jene Komponenten liefert, die sie gerade brauchen.
Weckbach: „Der Taycan fährt sich wie ein Porsche, sieht aus wie einer und fühlt sich auch so an“
Um alltagstauglich zu sein, müssen Elektroautos genügend Reichweite bieten. Dafür benötigen sie relativ schwere Batterien, was wiederum zu Lasten der Performance geht. Wie haben Sie diesen Widerspruch gelöst?
Eine zentrale Frage bei der Entwicklung des Taycan war: Wo liegt die optimale Balance zwischen Reichweite und Performance? Theoretisch müsste man ja nur eine entsprechend große Batterie ins Fahrzeug packen, schon hat man eine große Reichweite. Doch das wäre nicht typisch Porsche, allein schon wegen des zu hohen Gewichts. Unsere Lösungen entsprechen dem Konzept der „Intelligent Performance“, das wir auch auf den Taycan übertragen. Dadurch erzielen wir zum Beispiel eine elektrische Reichweite von mehr als 500 Kilometern, halten aber gleichzeitig das Gewicht so niedrig wie möglich. Wichtige Bausteine sind dabei die hohe Leistungsdichte und der hohe Wirkungsgrad des elektrischen Antriebs. Das bedeutet, dass zum einen die E-Motoren selbst nur sehr wenig Gewicht auf die Waage bringen. Außerdem ermöglicht uns ein höherer Wirkungsgrad und dadurch ein niedrigerer Stromverbrauch den Einsatz kleinerer und leichterer Batterien. Dann haben wir bei der Entwicklung des Taycan auch sehr intensiv an der Aerodynamik gefeilt und im Windkanal um jedes cw-Tausendstel gekämpft. Dadurch ist es uns gelungen, den Luftwiderstand auf einen möglichst niedrigen Wert zu drücken.
Mit der 800-Volt-Architektur für Antrieb und Batterie geht Porsche einen eigenen Weg. Was sind die Gründe dafür?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen eigenen Weg gehen. Ich würde eher sagen, dass wir die ersten sind, die den für unsere Anforderungen richtigen Weg gehen. Ein elektrisch angetriebener Porsche muss nicht nur schnell fahren, man muss ihn auch schnell laden können. Mit der 800-Volt-Technologie lässt sich in gut 15 Minuten Strom für rund 400 Kilometer Reichweite nachladen, es dauert also im Vergleich zu den heute üblichen Systemen nur etwa halb so lange. Wegen der höheren Spannung können wir außerdem das elektrische System mit kleineren Kabeldurchschnitten und einem effizienteren Package leichter und kompakter gestalten. Auch das verstehen wir unter „Intelligent Performance“.
Sind mit der höheren Spannung zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich?
Nein, bei einem 800-Volt-System gibt es verglichen mit der 400-Volt-Spannung, die schon seit langem für Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge verwendet wird, keinen Unterschied in puncto Sicherheit.
Werden die Fahrer des Taycan ausreichend Lademöglichkeiten vorfinden?
Porsche baut derzeit gemeinsam mit anderen Automobilherstellern ein Schnellladesystem für Elektrofahrzeuge entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen auf. Bis 2020 soll ein Netz aus rund 400 Ladestationen verfügbar sein. Zugleich sorgen wir mit einem Hochvolt-Booster dafür, dass der Taycan auch an 400-Volt-Stationen geladen werden kann. Die Lademöglichkeit unseres Sportwagens wird also abwärtskompatibel sein.
Was begeistert Sie persönlich an diesem Auto am meisten?
Wir erproben die Prototypen jetzt schon eine ganze Weile und haben sehr, sehr viele Kilometer mit ihnen zurückgelegt. Schon die ersten Fahrzeuge wiesen in einer extrem frühen Phase die Porsche-typischen Fahreigenschaften auf. Sie ließen sich so sportlich fahren und reagierten so direkt, dass wir uns auf Anhieb wie zu Hause gefühlt haben. Und seither ist ja noch viel passiert.
Wann werden wir den Taycan offiziell auf der Straße sehen?
Porsche wird ihn Ende 2019 vorstellen. Und so viel kann ich jetzt schon verraten: Er wird nicht einfach nur ein Elektrofahrzeug sein. Er wird ein Porsche sein.
Bis zum Jahr 2000 studierte Stefan Weckbach (41) Betriebswirtschaft in St. Gallen, wo er anschließend auch wissenschaftlich tätig war und promovierte. Nach fünf Jahren als Managing Consultant und Projektleiter bei einer Unternehmensberatung wechselte der Vater zweier Töchter im Jahr 2008 zu Porsche. Es folgten Stationen im Strategischen Beteiligungsmanagement, die Assistenz des Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG, die Leitung der Produktstrategie und der Baureihe Boxster / Cayman. Seit November 2014 ist Weckbach Leiter der Baureihe Taycan.
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 387