In einer Oper musste diese Relativierung, die auch eine Relativierung des moralischen Urteils ist, natürlich vor allem hörbar werden. „Es lohnt sich nicht, lange darüber zu streiten, wie ich alle diese Verbrechen rechtfertige“, so Schostakowitsch 1934, „weil das bei weitem stärker durch das musikalische Material geschieht.“ Ist „rechtfertigen“ ein zu starkes Wort? Wie auch immer: Mit echter Empathie begegnet der Komponist im Grunde nur Katerina und – im vierten Akt – den Gefangenen, die mit ihr gemeinsam auf dem beschwerlichen Weg nach Sibirien in die Zwangsarbeit sind. Die anderen Figuren hingegen werden in demaskierender, oft greller Überzeichnung dargestellt, auch Gruppen wie die Polizei, die als stumpfsinnige Vertreterin der Staatsgewalt abgründig karikiert wird. In der Bezeichnung von Lady Macbeth von Mzensk als „Tragödie-Satire“ hat Schostakowitsch diese musikalischen Gegensätze auf den Punkt gebracht.1934 uraufgeführt, wurde die Oper des jungen Komponisten zu einem sensationellen Erfolg, auch bei den meisten Kritikern. Im Jänner 1936 aber besuchte Stalin eine Aufführung, und wenige Tage später wurde das Werk in der Prawda in Grund und Boden vernichtet. Dass es in der Zwischenzeit auch im westlichen Ausland Furore gemacht hatte, schien seine volkserzieherische und künstlerische Wertlosigkeit nur zu bestätigen: Lady Macbeth von Mzensk war der Partei zu gefährlich und wurde umgehend verboten. Für Schostakowitsch selbst sollten die Dinge nie mehr so sein, wie sie einmal waren.
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