Buchtipp des Monats – Gottes Brut
Über die Autorin:
Viele Autoren erzählen, dass sie schon „immer“ Geschichten im Kopf hatten. Dass sie seit ihrer frühesten Kindheit den Wunsch haben, Schriftsteller zu werden. So eine Story kann ich Ihnen nicht erzählen. Aus heiterem Himmel fiel mich die Idee zu diesem Buch an. Ließ mich nicht mehr los, raubte mir den Schlaf. Verfolgte mich so lange, bis ich anfing, sie aufzuschreiben. Nun hatte ich ein neues Problem: Ich wollte wissen, wie meine Geschichte zu Ende geht. Also musste ich weiterschreiben…..
2013 wurde mir das große Glück zuteil, an der Rowohlt- Krimischule teilzunehmen. Für mich war das eine wunderbare Erfahrung. Ich lernte tolle Menschen kennen und durfte einige Tage mit den Lektoren Nina Grabe und Bernd Jost an meinem Manuskript Gottesbrut arbeiten.
„Heute ist mein vierzigster Geburtstag. Heute werde ich sterben!“
Am Gleis vier angekommen, sah Laura auf die Anzeigetafel. Es war 9:22 Uhr und laut Anzeige würde der Zug pünktlich eintreffen. Für einen Samstagmorgen war der Hauptbahnhof von Mannheim überraschend leer. Auf dem Bahnsteig befand sich ein älteres Ehepaar, das sich an den Händen hielt, als hätten die beiden Angst, einander zu verlieren. Nicht weit davon stand eine Gruppe Radfahrer. Sie studierten eingehend eine Karte. Allesamt waren jung, sportlich und gut aussehend. Ihre identischen Trikots wiesen sie als Mitglieder eines Fahrradclubs aus. Offenkundig gut gelaunt, versuchten sie, die beiden Neuankömmlinge auf sich aufmerksam zu machen. Laura hob nur kurz die Hand zum Gruß. Dann studierte sie demonstrativ den Fahrplan, um zu signalisieren, dass sie die Radkollegen nicht interessierten. Im nächsten Moment entdeckte sie einen jungen Jogger, der kurz vor ihrem Mountainbike zum Stehen kam und begann, seine Muskeln zu dehnen. Schweiß rann über sein Gesicht.
An seiner Hose waren mehrere Trinkflaschen und ein iPod befestigt. Am auffälligsten aber waren seine neon-orangefarbenen Laufschuhe, die einen schrillen Kontrast zu seiner Sportkleidung bildeten. Sein athletischer Körper war braun gebrannten und muskulösen Waden sagten ihr, dass diese Beine schon viele Kilometer im Freien gelaufen waren. Laura war also nicht die Einzige, die den Drang verspürte, sich zu bewegen. Sie wandte sich ab und ließ ihren Blick über das Areal gleiten. Auf Gleis zwei stand ein glänzender ICE, dessen schlanke Form ihm etwas Elegantes gab. Surrend glitt er aus dem Bahnhof und gab die Sicht auf den gegenüberliegenden Bahnsteig frei. Eine Servicemitarbeiterin befüllte gerade einen Snackautomaten und sofort ließen sich Tauben auf dem nun leeren Bahnsteig nieder. Gurrend hofften sie, etwas Essbares zu finden. Lauras Blick streifte wieder die Radfahrer und wanderte dann erneut zur Anzeigetafel. Noch vier Minuten bis zum Eintreffen der Bahn.
Sie war froh, dass sie sich auf dem Weg zum einfahrenden Zug nicht durch Menschenmassen schieben mussten, zumal sie Elena im Schlepptau hatte. Der Zug maßlos überfüllt und der Schaffner musste für sie das Angurten der Räder übernehmen. Allerdings war nur am Ende des Zuges Platz für ihre Räder gewesen. Nun mussten sich die Frauen durch fast alle Waggons schlängeln, um zu ihren reservierten Sitzen zu gelangen. Rucksäcke, Koffer und Füße machen den Durchgang zu einem Hindernisparcours. Endlich, hier waren die Plätze fünfzehn und sechzehn, konnten die ihren nicht weit sein. Sie überprüfte noch einmal die Sitznummern ihrer Fahrkarten. Zweiundzwanzig und vierundzwanzig, beides Fensterplätze.
Während Laura die Rucksäcke in die Gepäckablage bugsierte, registrierte Elena, dass zwei Halbwüchsige auf ihren Plätzen saßen. Beide hatten die Augen geschlossen und trugen Kopfhörer. Sie beugte sich vor und tippte dem Größeren auf die Schulter. Er blinzelte überrascht. Elena machte ein Zeichen, dass er die Ohrstöpsel rausnehmen sollte. Er hob einen an, aber gerade nur so weit, wie nötig. „Hey, was soll das ?“, murrte er. „Entschuldigung, kann es sein, dass Sie versehentlich auf unseren Plätzen sitzen?“ Der Typ zuckte mit den Achseln und ließ den Kopfhörer zurückschnallen. Danach verschränkte er demonstrativ die Arme vor der schmächtigen Brust und grinste Elena mit fauligen Zähnen an. „Und, wenn schon?“ Sein Freund lachte, und fügte hinzu: „Du kannst dich gerne auf meinen Schoß setzen, Süße!“ Elena schnappte nach Luft und sah sich empört im Abteil um. Doch niemand der Anwesenden interessierte sich für die frechen Antworten der beiden. Auch nicht der älterer Herr mit grauem, schütterem Haar, der ganz in der Nähe saß und dessen Interesse einzig und alleine seiner Zeitung galt. Eine junge Frau mit einem schlafenden Säugling im Arm beobachtete stumm die Szene. Ein weiterer Mann in Shorts und Achselshirt schlief mit offenem Mund. Elena stemmte die Hände in die Hüften und ehe sie antworten konnte, eilte Laura zu Hilfe. Man sah ihrem Gesicht nicht an, ob sie sich über die dummen Sprüche der Typen ärgerte oder nicht. Mit gezücktem Dienstausweis säuselte sie: „An eurer Stelle wäre ich nicht so vorlaut, es sei denn, ihr wollt zu Fuß weitergehen!“ Als die Jungspundeden Dienstausweis der Kripo Mannheim- Heidelberg erblickten, standen sie hastig auf, schnappten ihre Taschen und schlängelten sich an den Passagieren vorbei. Elena ließ sich lachend in den Sitz fallen. „Danke!“
„Es muss ja auch was Gutes haben, bei der Polizei zu arbeiten“, grinste Laura und setzte sich gegenüber. Die Mutter mit dem Baby nickte zustimmend und sagte etwas, was sich für Laura nach kroatisch anhörte. Eine Sprache, die sie nicht beherrschte, deshalb lächelte sie einfach nur zurück. Sie streckte die Beine aus und versuchte, eine bequeme Haltung einzunehmen. Eine gute Stunde würde die Fahrt mit dem Regionalzug bis nach Bad Bergzabern dauern. Zeit genug, die Route noch einmal durchzugehen. Sie zog eine Fahrradkarte aus ihrem Rucksack und klappte sie auf. Die geplante Tour hatte sie in der Karte verzeichnet und sich zusätzlich eine App aufs Handy geladen. In Bad Bergzabern würden sie mit dem Rad weiter zum Deutschen
Weintor fahren. Nach einer Rast ginge es dann zur Burg Berwartstein. Laura spähte kurz aus dem Fenster. Häuser, Bäume und Sträucher flogen vorbei. Der Himmel war blau, und für Ende September war das Wetter wirklich prachtvoll. Ein richtiger Altweibersommer, ideal für ihre bevorstehende Burgentour. Nicht zu warm und schon gar nicht zu kühl. Vorfreude machte sich in ihr breit und sie spürte, wie die Anspannung der letzten Wochen von ihr abfiel. Heute Morgen noch hatte sie an ihrer Entscheidung, ihre Freundin Elena mit zu diesem Trip zu nehmen, gezweifelt. Klar, es war alleinig ihre Idee gewesen, und die Rechtsmedizinerin hatte nicht grundlos gezögert. Sie kannten sich ja kaum. Aber was gab es Besseres für eine junge Freundschaft, als einen gemeinsamen Urlaub. Sie beide allein in der Natur. Hier würden sie endlich die Zeit finden, sich näher kennenzulernen. Sie schielte zu Elena, die bereits in ein Buch vertieft war. Würde die zierliche, elegante Frau den Anstieg schaffen? Oder würde sie kneifen und nach der ersten Tour in der Pension bleiben? Laura zuckte mit den
Schultern und dachte: „Wir werden sehen.“ Dann widmete sie sich wieder der Karte. Als der Zug hielt, beobachtete Laura, wie einige Mitreisende die Bahn verließen…
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