I Phone X – Willkommen zu etwas Großem

Das iPhone XS (Max) ist die späte Erfolgsbestätigung für das iPhone X. Lediglich ein Jahr hat Apple für den kompletten Generationswechsel benötigt. Niemand stellt 12 Monate nach dem iPhone X noch die neue iOS-Gestensteuerung in Frage; Touch ID wirkt vergessen und der Umstieg aufs OLED-Display verlief ohne Schluckauf.

Mein Artikel über das iPhone X im letzten Jahr beschrieb, welche Wichtigkeit wir Smartphones in unserem Alltag einräumen; welchen Stellenwert sie einnehmen und dass es überhaupt nicht absurd ist, wenn wir für diese Geräte ähnlich viel bezahlen wie für unsere Laptops. Das Smartphone ist und bleibt unser wichtigster Computer.

Tim Cook sagte vor einem Jahr: „iPhone X is the most innovative product on the market. Jam packed with the best technologies on the market. Really set up as a smartphone for the next decade.” Das zweite Apple-Telefon in diesem „nächsten Jahrzehnt” ist das iPhone XS (Max).

Das iPhone ist schon lange nicht mehr nur ein Hardware-Geschäft. Es ist nicht mehr nur ein Business, das mit neuen Features von Jahr zu Jahr auf Kundenjagd geht. Die Kaufanreize für ein iPhone übersteigen die eigentliche Hardware.

Das ausgerufene Ziel ist: iPhone-Kunden sollen iPhone-Kunden bleiben. Dazu gehören Software-Updates für Sicherheit und Performance; dazu zählen schnellere Prozessoren, mit denen die Telefone auch in drei oder vier Jahren noch mithalten. Dazu gehören hochwertige (und zwangsläufig auch hochpreisige) Bauteile, die diese Zeitspannen genauso lange durchstehen. Dazu gehören Services, die nicht nur ihre Kunden und Kundinnen an ein Ökosystem binden, sondern dort tatsächlich Vorteile erbringen.

Apple verfolgt damit eine grundlegend andere Strategie als seine Mitbewerber. Es scheint eine Strategie zu sein, die sich nach dem Kunden richtet (Stichwort: „Mein Smartphone ist doch schnell genug!”). Kunden wechseln nämlich nicht von Jahr zu Jahr, sondern wenn ihre Geräte kaputtgehen, wenn sie für sich signifikante Verbesserungen in einem neuen Modell erkennen oder wenn Mobilfunkverträge auslaufen.

Eine Konsequenz von diesem Strategiewechsel findet sich in der aktuellen Produktaufstellung, bei dem das iPhone XS das iPhone X ersetzt. Normalerweise rutscht das Vorjahresmodell auf eine niedrigere Preisstufe; diesmal wird es durch das neue iPhone XR dort abgelöst. Nachdem das iPhone X sich in jedem Monat des letzten Jahres am besten verkaufte, fliegt es jetzt komplett aus dem Program. Kunden kaufen damit also kein „Vorjahresmodell“, sondern zum gleichen Preis ein neues iPhone XS; und für weniger Geld gibt es das iPhone XR. Aber soweit sind wir heute noch nicht: Das iPhone XR startet erst Ende Oktober. Heute geht es ums iPhone XS (Max).

Bitte nicht falsch verstehen: Apple will euch natürlich jedes Jahr ein neues iPhone verkaufen! Die Voraussetzungen haben sich jedoch geändert und das erfordert eine neue Strategie. Der letzte große Markt, in dem Apple noch keinen Fuß in der Tür hat, ist Indien. Und im Moment scheint man dort etwas strategielos. Deshalb schaut man a) auf wechselwillige Android-Kunden und b) auf einen Mehrwert für Bestandskunden. Ein langjähriger iPhone-Kunde ist auf Dauer nämlich viel wertvoller als jemand, der sich bei jedem Vertragswechsel neu für einen anderen Smartphone-Hersteller entscheiden kann.

Und genau deshalb bekommen die neuen iPhones auch neue Namen. Selten wäre es so passend wie in diesem Jahr gewesen, alle lästigen Zahlenanhänge abzuschütteln. XS, XR und insbesondere XS Max stolpern mir über die Zunge – rund klingt das nicht. Ich mag die Namensgebung in diesem Jahr wirklich nicht. Ich persönlich hätte am liebsten ein „iPhone (2018)” gekauft. Ich arbeite aber auch nicht in einem hochbezahlten Marketing-Job und unterschätze wahrscheinlich die Zugstärke – insbesondere von dem so absurden „Max”-Anhängsel – den ein individueller Name mit sich bringt.

Die Kamera

Aber Schluss damit, nur die Zehen ins Wasser zu halten; springen wir endlich rein. Die Kamera des iPhone XS (Max) ist das entscheidende – und gleichzeitig auch das am meisten unterschätzte Feature in diesem Jahr.

Der Porträtmodus – ursprünglich eingeführt mit dem iPhone 7 Plus – gewinnt deutlich an Geschwindigkeit – einer meiner größten Kritikpunkte wenn man ein Foto mit Tiefenunschärfe von seinen nicht still sitzen wollenden Kindern möchte. Während man mit dem iPhone X noch echt Glück beim Timing eines solchen Fotos benötigte, gelingen diese Aufnahmen nun zählbar häufiger. Vielleicht ist es unnötig zu erwähnen, aber der Vergleich zwischen dem iPhone XS und einer Spiegelreflexkamera mit dickem Glas, bleibt weiterhin überflüssig. „Computational photography” übertrifft weiterhin nicht eure Sony, Nikon oder Canon – insofern ihr sie dabei habt!

Bei der schlicht verbesserten Geschwindigkeit bleibt es aber nicht: Die Hintergrundunschärfe (der „Bokeh-Effekt“) lässt sich nun per Tiefen-Kontrolle in der Kamera-App einstellen. Sprich: Wenn ein Porträt-Foto nicht gelingt, entfernt ihr das Bokeh und verbleibt mit einem sehr guten Foto, das in allen Fotoecken knackig scharf ist. Ich habe bislang kein Foto geschossen, bei dem ein voll aufgedrehter Bokeh-Effekt wirklich gut aussah. Sich jedoch in den mittleren Regionen der Tiefenunschärfe auszutoben, hilft bei vielen Bildern.

Die Tiefen-Kontrolle dreht jedoch nicht nur die Stärke des verschwommenen Bildbereichs auf oder ab, sondern ändert auch die Gestalt der Lichtkugeln, so wie es eine richtige Kamera macht. Fotos mit Hintergrundunschärfe konnte man bereit unter iOS 11 über Drittanbieter-Apps wie Halide oder Darkroom ändern – das ist aber nicht der gleiche Bokeh-Effekt, den das iPhone XS erfasst. Zugegeben: Die meisten Leute erkennen die Feinheiten für den Unschärfebereich wahrscheinlich nur in einem direkten 1:1-Vergleich. Trotzdem gewöhnt sich jedes Auge an bessere Fotos.

Die Tiefen-Kartierungen, die aus dem Schulterschluss der Apple-eigenen ‚Neural Engine‘ sowie dem Bildprozessor aus Cupertino entstehen, sind mehrere Größenordnungen präziser. Porträt-Fotos aus einem iPhone 7 Plus verarbeiten abstehende Haarbüschel teilweise als komplette Blöcke; das iPhone XS unterscheidet unter guten Lichtbedingungen sogar einzelne Haare. Auch Entwickler haben Zugriff auf diese detailreiche „segmentation mask“.

Bild und Text:www.iphoneblog.de