Stadttheater Klagenfurt – Lady Macbeth von Mzensk

Schostakowitsch, eine der schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, schuf eine gleichermaßen mitreißende wie wilde Oper. Bereits in Leskows Novelle wird in ungeschminkten Worten vom mörderischen  Treiben Katerina Ismailowas erzählt, die zuerst ihren Schwiegervater und dann – gemeinsam mit ihrem Liebhaber Sergej – ihren Ehemann umbringt. Am Ende wird sie aber selbst von Sergej fallen gelassen. Regie und Bühne  stammen von Immo Karaman, für Choreographie und Kostüme zeichnet Fabian Posca verantwortlich – die beiden brachten in Klagenfurt bereits höchst erfolgreich Die Liebe zu den drei Orangen und A Midsummer Night’s Dream auf die Bühne. Am Pult des KSO steht die estnische Dirigentin Kristiina Poska. Passend zur Handlung komponiert Schostakowitsch eine Musik, die von Extremen gezeichnet ist: durchsichtiges Kammerspiel steht neben wuchtigen Chören, zerklüftete Partiturabschnitte neben Passagen in strengem Kontrapunkt. Zwischen Groteske und Tragödie erhält Schostakowitschs Katerina eine Dimension, die ihr in Leskows Erzählung abgeht. Umgeben von einem schwachen Ehemann, einem rohen Schwiegervater und  chauvinistischen Arbeitern fristet sie ein trostloses Leben auf einem Bauernhof in der russischen Provinz. Diese zerstörerische Umgebung macht ihr Handeln verständlich, sodass sie nicht nur als grausame Mörderin erscheint, sondern auch als eine nach Selbstverwirklichung strebende junge Frau.
In einer Oper musste diese Relativierung, die auch eine Relativierung des moralischen Urteils ist, natürlich vor allem hörbar werden. „Es lohnt sich nicht, lange darüber zu streiten, wie ich alle diese Verbrechen rechtfertige“, so Schostakowitsch 1934, „weil das bei weitem stärker durch das musikalische Material geschieht.“ Ist „rechtfertigen“ ein zu starkes Wort? Wie auch immer: Mit echter Empathie begegnet der Komponist im Grunde nur Katerina und – im vierten Akt – den Gefangenen, die mit ihr gemeinsam auf dem beschwerlichen Weg nach Sibirien in die Zwangsarbeit sind. Die anderen Figuren hingegen werden in demaskierender, oft greller Überzeichnung dargestellt, auch Gruppen wie die Polizei, die als stumpfsinnige Vertreterin der Staatsgewalt abgründig karikiert wird. In der Bezeichnung von Lady Macbeth von Mzensk als „Tragödie-Satire“ hat Schostakowitsch diese musikalischen Gegensätze auf den Punkt gebracht.
1934 uraufgeführt, wurde die Oper des jungen Komponisten zu einem sensationellen Erfolg, auch bei den meisten Kritikern. Im Jänner 1936 aber besuchte Stalin eine Aufführung, und wenige Tage später wurde das Werk in der Prawda in Grund und Boden vernichtet. Dass es in der Zwischenzeit auch im westlichen Ausland Furore gemacht hatte, schien seine volkserzieherische und künstlerische Wertlosigkeit nur zu bestätigen: Lady Macbeth von Mzensk war der Partei zu gefährlich und wurde umgehend verboten. Für Schostakowitsch selbst sollten die Dinge nie mehr so sein, wie sie einmal waren.

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